Ich spiele mit meinem Gottechind „Verchäuferlis“: Die dreieinhalbjährige Seraina steht erwartungsvoll hinter ihrem Verkaufsstand – eine Kiste hinter dem Sofa ermöglicht ihr über dessen Rückenlehne hinweg zu gschäften, fast auf Augenhöhe mit den Erwachsenen. Sie will das tun, was alle Händler am liebsten machen: Möglichst viel verkaufen.
Gedichte, Texte und Träume in Zürcher Mundart von einem, der Bauer sein wollte
Eine Sammlung von Gedichten, Geschichten, Biographien, Fotos und Bildern. Herausgegeben von Regula Wloemer, Heinz Stauffer und Ueli Tobler
Auf der Strasse kommen mir Sandra und Reto entgegen, ungewöhnlich zielsicher marschiert der Junge zwei Schritte vor seiner Mutter. Wir kennen uns, aber heute hat Reto zu tun. Sandra lacht und klärt mich im Vorbeigehen schnell auf: ”Er hat soeben seine Anmeldung für den Kindergarten auf die Post gebracht und nun kaufen wir das Znünitäschli.”
Der Winter hat meiner Freundin arg zugesetzt. Wie ein Häuflein Elend sitzt sie vor mir, die Schwere in den Gliedern. Ihr, der Lebensfreudigen, haben sich Kälte und Düsterkeit ins Gesicht gesetzt, mehr noch, tief in die Knochen gegraben. Sie hat sich in den Mantel der Depression gehüllt, den auch die wärmende Frühlingssonne kaum zu durchdringen vermag.
Der Strukturwandel zwingt in der Schweiz jährlich rund 1’800 Landwirtschaftsbetriebe zur Aufgabe. Die betroffenen Bauernfamilien müssen die emotionalen Turbulenzen dieses Umbruchs alleine bewältigen. Davon bekommt das bäuerliche Sorgentelefon einiges zu hören: Viele Männer und Frauen klagen, dass sie mit Trennungsschmerz und Versagensvorwürfen fast nicht fertig werden.
Welche Idylle – welch grosser Segen: ein Bauernhof mit tüchtigem Bauer und tüchtiger Bäuerin, dazu eine Schar gesunde Kinder, die mit der Natur aufwachsen, die mithelfen und später auch zupacken können! Kinder, die durch das Leben auf dem Bauernhof die Sorgen und Freuden ihrer Eltern jeden Tag hautnah miterleben und so einen gesunden Menschenverstand entwickeln. Viel Schönes! Viel Ideales! – Ein Klischee?
„Es gibt zwei Grundmuster, nach denen Bauernfamilien in existentielle Probleme geraten: Stetiges Bergab oder Einschneidendes Ereignis.“ So erklärt Sandra Contzen von der Schweizerischen Hochschule Zollikofen die unmittelbaren Ursachen für den wirtschaftlichen Absturz bäuerlicher Unternehmen.
Dass eine 26jährige Bauerntochter zum Sorgentelefonhörer greift, ist doch eher selten. Die Stimme tönt verzweifelt: „Ich weiss einfach nicht mehr, was ich machen soll!“
Kurz vor Aufhebung der Milchkontingentierung in der Schweiz äussern sich unsere konfessionellen Bauernvereinigungen zur aktuellen Marktkrise : "Milch rot statt weiss? Die weisse Milch schreibt rote Zahlen und sorgt für rote Köpfe. Aus ethischen Gründen können wir nicht dazu schweigen, dass alle von der Milch profitieren, nur die nicht, die Tag für Tag im Stall arbeiten...."